unBehindert

Der Podcast, der Barrieren bricht.

#027 Schweigen kann tödlich sein

Mentale Probleme erkennen & helfen

27.11.2024 38 min Vanessa Köllner & Arne Schöning - Gast: Falk Schuster (Ersthelfer für physische Gesundheit)

Zusammenfassung & Show Notes

Warum Reden Leben retten kann – Mentale Krisen erkennen & helfen!
Mentale Gesundheit, psychische Gesundheit und Suizid: Tabus brechen, Leben retten.
In dieser Folge tauchen wir tief in das oft tabuierte Thema der mentalen Gesundheit ein und sprechen über die täglichen Herausforderungen, mit denen Menschen mit unsichtbaren Beeinträchtigungen kämpfen. Unser Gast Falk Schuster – Coach und Berater für mentale Gesundheit – erzählt aus seinen eigenen Erfahrungen mit Depression und Suizidalität. Er teilt sein Wissen, wie wir Barrieren überwinden, psychische Erkrankungen sichtbar machen und die dringend benötigte Hilfe erhalten können.

Wichtig: Wenn Du aktuell Suizidgedanken hast, suche schnellstmöglich professionelle Hilfe. Den meisten Betroffenen kann gut geholfen werden: Mit der erfolgreichen Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen lassen die Suizidgedanken nach. Kontaktstellen findest Du weiter unten.

Ein zentraler Schwerpunkt des Gesprächs ist die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Falk zeigt eindrücklich, warum es so wichtig ist, offen über Gefühle, Ängste und auch über sensible Themen wie Suizidgedanken zu sprechen. Er ruft dazu auf, Berührungsängste abzubauen und ein unterstützendes Umfeld für Betroffene zu schaffen – sei es in der Familie, im Freundeskreis oder im beruflichen Kontext.

Inhalte der Folge:
  • Warum der Druck, stark zu wirken, besonders bei Männern zu Isolation führen kann.
  • Warum das Ansprechen von psychischer Gesundheit und Suizidgedanken so wichtig ist.
  • Praktische Tipps, um Betroffene zu unterstützen und offen über mentale Krisen zu reden.
Diese Episode macht Mut, das Thema anzusprechen – denn genau dieser Mut kann Leben retten. Hilfe zu suchen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Es ist okay, nicht okay zu sein.

Links aus der Folge - Schweigen kann tödlich sein
🔗 Falk Schuster | COACHING & BERATUNG für mentale Gesundheit: https://www.falkschuster.de/
🔗 Irrsinnig Menschlich e.V. | WORKSHOPS zur Prävention psychischer Erkrankung: https://www.irrsinnig-menschlich.de/
🔗 MHFA Ersthelfer | Kurse für psychische Gesundheit: https://www.mhfa-ersthelfer.de/de/
🔗 Männer stärken | Infos und Anlaufstellen für Männer in suizidalen Krisen: https://www.maenner-staerken.de/
🔗 Hilfe für Angehörige | Hilfe für Angehörige bei Männer in einer Krise: https://hilfe-fuer-angehoerige.de/ 

Erste Anlaufstellen bei eine akuten Kriese:
  • hausärztliche oder psychiatrische Praxen
  • Psychotherapeut*innen
In einer akuten Krise kannst Du Dich rund um die Uhr an die nächste psychiatrische Klinik wenden oder den Notruf 112 wählen. Auch der Krisendienst in Deiner Region bietet schnelle Hilfe.
Die Telefonseelsorge erreichst Du kostenlos und jederzeit unter:
0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222.

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📖 Buch “Menschen mit Querschnittlähmung” von Professorin Dr. Jessica Lilli Köpcke und Arne Schöning, Kohlhammer Verlag: https://amzn.to/3Z1RuUU

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Vielen Dank für eure Zeit und euer Interesse. Bleibt neugierig und teilt eure Leidenschaften mit der Welt, um Barrieren abzubauen. 

Bis zum nächsten Mal! 
Vanessa Köllner und Arne Schöning

Transkript

Speaker0
00:00:00
Ein Riesenthema, was durch Vorurteile immer wieder passiert, ist ja, dass wir nicht drüber reden. Und umso geiler ist es, dass ihr den ganzen Podcast zu diesem Thema macht und wir damit drüber reden.
Speaker2
00:00:12
Wenn man die Einschränkung oder die Behinderung nicht sieht, eine viel, viel größere Herausforderung ist.
Speaker1
00:00:17
Weil man selber natürlich in diesem Arbeitsalltag ist und ja, wir müssen schaffen und wir müssen machen und Rücksicht ist da ja natürlich ein großes, großes Thema.
Speaker0
00:00:25
Drüber reden und sich auch helfen lassen.
Speaker2
00:00:28
Heute geht es um ein Thema, was euch vielleicht seelisch sehr berühren kann. Wenn das der Fall ist, dann schaltet zwischendurch doch einfach mal ab oder hört die Folge jemand, der euch vertraut ist, gemeinsam. Willkommen bei Unbehindert, dem Podcast, der Barrieren bricht. Hier sprechen wir über das Leben mit und ohne Behinderung, teilen inspirierende Geschichten und beleuchten Barrieren, ohne die unser aller Leben leichter wäre. Jetzt genießt die nächsten Minuten mit Vanessa und Arne. Wusstet ihr, dass in Deutschland mehr Menschen durch Suizid sterben als durch Verkehrsunfälle, Drogenmissbrauch und Gewalttaten zusammen? Ich muss sagen, als ich die Zahlen gesehen habe, hat es mich wirklich geschüttelt. Deswegen widmen wir uns heute einem Thema, das ganz oft unsichtbar bleibt, das aber Millionen von Menschen in Deutschland betrifft, unsere mentale Gesundheit. Unser heutiger Gast weiß, wovon er spricht. Er ist Coach, Ersthelfer für mentale Gesundheit. Und da gilt für mich heute zu klären, was ist das? Gemeinsam werden wir sprechen über Vorurteile, die uns darin hindern, über unsere Gefühle zu reden. Und wie wir ein Umfeld schaffen können, in dem es okay ist, um Hilfe zu bitten. Also, bleibt dran, denn es kann jeden von uns treffen oder jemanden in unserem Umfeld. Und dann ist es gut zu wissen, was man zu tun hat.
Speaker1
00:01:54
Ja, ich freue mich schon wieder wahnsinnig interessante Gäste zu haben und es ist wieder jemand, den ich sehr, sehr lange kenne. Wir haben zusammen Abitur gemacht, 1999.
Speaker2
00:02:05
Oh mein Gott.
Speaker1
00:02:07
Wir sind so alt. Davor haben wir zusammen Theater gespielt, unter anderem 1998 am Schauspielhaus in Leipzig und unser Gast hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und ist Schauspieler geworden. Da war er da zum Beispiel bei Hinterm Horizont und heute ganz anders unterwegs, eben als Coach für mentale Gesundheit. Da gibst du Workshops unter anderem in Schulen und in Unternehmen und für Studierende. Damit herzlich willkommen, Falk, Falk Schuster. Ich freue mich.
Speaker0
00:02:37
Ich freue mich auch total, hier zu sein. Ist nämlich witzigerweise mein allererster Podcast, den ich mache. Und das ist einfach wunderschön, auch dieses Format zu bedienen. Also ich freue mich total, hier zu sein. Danke, dass du mich so nett eingeführt hast. Ich würde dem Ganzen noch ergänzen. Mittlerweile bin ich auch aktiv in der Forschung, also beteilige mich an Forschungsprojekten, sozusagen meine Erfahrungen mit einbringe, arbeite da mit Patientenorganisationen zusammen, zum Beispiel Gammion Europe, die sitzen in Brüssel und arbeite auch mit einer deutschen Pharmafirma zusammen. Und wir einfach schauen, wie können Forschungsprojekte gestaltet werden, wo ich immer meine Erfahrungen mit mentaler Gesundheit einbringe.
Speaker1
00:03:17
Cool.
Speaker0
00:03:18
Ein wunderbares Thema. Ich bin total happy, dass ihr das aufgreift, weil du sagst ja, wir wollen Vorurteile abbauen und ein Riesenthema, was durch Vorurteile immer wieder passiert, ist ja, dass wir nicht drüber reden. Und umso geiler ist es, dass ihr den ganzen Podcast zu diesem Thema macht und wir damit drüber reden.
Speaker2
00:03:37
Wir merken ja immer, also in Anführungszeichen haben wir es relativ leicht. Meine Behinderung ist sichtbar. Die Leute haben immer irgendwie so ein, ja zumindest ein grobes Verständnis. Ich meine, der eine geht geschickter, der andere ungeschickter damit um. Okay, aber trotzdem, man sieht es mir ja an. Ich kann es nicht verbergen, dass ich im Rollstuhl sitze. Aber wir haben immer wieder in unseren Gesprächen die Erfahrung gesammelt, dass das, wenn man die Einschränkung oder die Behinderung, wie man es auch immer nennen möchte, nicht sieht, für die Menschen natürlich nochmal, die betroffen sind, eine viel, viel größere Herausforderung ist, weil sie immer noch in diesem Moment sind, dass sie sich so erklären müssen. Und dann verstecke ich es natürlich, dann rede ich nicht drüber, weil dann erspare ich mir das Erklären. Und mal gucken, vielleicht schaffen wir das heute so ein bisschen aufzubrechen.
Speaker0
00:04:21
Ja, das ist leider ganz oft so, dass einfach die Menschen, weil sie es von außen nicht sehen und auch besonders, weil die meisten Betroffenen von psychischen Erkrankungen, ich nehme ja jetzt Spezialfälle aus wie Schizophrenie, wenn man Menschen Psychosen haben und vielleicht auch Wahnvorstellungen haben und Selbstgespräche führen, was ja eher wenige sind, aber die meisten, den meisten siehst du es von außen nicht an. Dann bist du, selbst die Fachleute sind dir einfach darauf angewiesen, was erzählen die Leute. Selbst Diagnosen werden ja heutzutage immer noch so gemacht, weil es bis Stand heute kein Kriterium gibt in der Wissenschaft. Ich kann kein Gehirnscan machen und sagen, ach, das ist jetzt eine Depression. Es gibt Anhaltspunkte, aber leider gibt es Stand heute noch kein Diagnoseverfahren, kein objektives, wo ich definitiv sagen kann, das ist die psychische Erkrankung. Und wie du richtig sagst, man sieht das von außen nicht an. Wie Vanessa, wir kennen uns schon lange. Wir hatten neulich ein Klassentreffen. Wie lange war das jetzt? 25 Jahre Abitur. Und da sind einige Leute aus den Wolken gefallen, als ich denen erzählt habe, Mensch, ich hatte schon als 15-, 16-Jähriger das erste Mal Suizidgedanken. Und habe das aber alles überspielt. Alles, das habe ich mit mir in meinem stillen Kämmerlein ausgemacht. Und nach außen hin, auf dem Klassentreffen kamen dann so Kommentare wie, oh Mensch, du wirktest immer so selbstbewusst. Und ja, wo ich mir dann denke, ja, es gab schon einen Grund, warum ich den Beruf ergriffen habe, weil ich irgendwie daran auch gut war. Aber was ich immer wieder merke, dass die meisten Betroffenen von psychischen Erkrankungen es stark üben, dieses Überspielen, weil sie Angst haben, was denkt mein Gegenüber und es so lange wie möglich versuchen zu überspielen. Und dabei ist gerade das Gegenteil enorm wichtig, um überhaupt Hilfe zu bekommen.
Speaker1
00:06:10
Na, aber wie ist das denn? Also trotz allem wird es dann ja Anzeichen geben.
Speaker0
00:06:14
Definitiv.
Speaker1
00:06:15
Hast du so Sachen, wo du sagst, daran kann man schon irgendwie festmachen, die Person hat vielleicht ein Problem? Vielleicht auch Sachen, wo du sagst, Mensch, da werde ich immer hellhörig.
Speaker0
00:06:25
Also es gibt definitiv ein Warnsignal. Was ich jedem ans Herz legen möchte, das zu beachten, ist das Thema Schlafstörung. Also wir alle kennen ja vielleicht mal eine Nacht, wo wir nicht so gut schlafen oder zwei oder drei. Aber halten jetzt Schlafstörungen länger an, sagen wir mal so zwei Wochen, dann sollte ich mir langsam Gedanken machen und einfach mal Fachpersonal aufsuchen. Das muss nicht gleich eine psychische Erkrankung oder eine psychische Krise sein, aber kann ein definitives Warnsignal dafür sein. Es gibt noch eine Menge andere Warnsignale, die kann ich einfach nochmal nennen, die sagen wir auch immer in den Workshops für Schüler und Studierende und so weiter, die aber letztlich sehr individuell sind. Das ist jetzt sozusagen keine Art Checkliste, wo ich dann durchgehen kann und sagen kann, okay, das habe ich, das habe ich, das habe, deswegen habe ich XYZ, sondern die können auftreten, aber die sind individuell extrem unterschiedlich. Also es gibt zum Beispiel Sorgen und Ängste. Ja, man muss sich immer das vorstellen. Immer unter der Maßgabe, wir alle haben das ein Stück weit, aber haben wir das jetzt permanent und das kennen wir von uns so nicht und das hält jetzt so zwei, drei Wochen an und geht einfach nicht wieder weg, dann sollten wir uns einen Kopf machen oder wenn wir anfangen, sehr empfindlich zu werden und vorher das nicht waren oder einfach nicht mehr so richtig runterfahren können, einfach so ruhelos sind, irgendwie gar nicht mehr entspannen können oder so unentschlossen sind, extrem Schwierigkeiten haben, Entscheidungen zu fällen. Oder uns sozial zurückziehen. Das kann auch ein Anzeichen sein. Oder wenn wir anfangen zu hungern oder jetzt einfach uns zu Frust futtern, dann nennt man das einfach so, viel mit Essen zu kompensieren oder uns so dauerhaft erschöpft fühlen und das Gefühl haben, wir können keine Leistung mehr bringen. Das kann auch so ein Warnsignal dafür sein. Und ich versuche dann immer in den Workshops oder wir, ich mache das ja zusammen mit einem Verein, der heißt Irrsinnig Menschlich. Die sitzen in Leipzig. Da gehen wir immer als Tandem in die Schulen oder Hochschulen, also zwei Kollegen und wir versuchen dann immer zu sensibilisieren. Versucht euch selbst wahrzunehmen, wenn ihr das Gefühl habt, ihr habt euch stark verändert und das hält an und geht nicht wieder weg, dann solltet ihr das als Signal nehmen, zumindest mit jemandem drüber zu reden. Und vielleicht auch, wenn ihr euch Sorgen macht, mit jemandem Professionellem drüber zu reden. Ich werde dann gern mal gefragt in den Workshops, Mensch, woher weiß ich denn, ob das schon schlimm genug ist? Wo ich dann sage, ja. Genau wenn du dir eigentlich diese Frage stellst, ist das aus meiner Sicht Grund genug, um auf jeden Fall mit jemandem drüber zu reden.
Speaker1
00:09:03
Okay, und mit wem spricht man dann? Also erstmal wahrscheinlich im Umfeld, oder? Das wäre ja so Schritt eins.
Speaker0
00:09:09
Das würde ich als allererste Station genau empfehlen, im Umfeld einfach drüber zu reden. Weil natürlich jetzt der Schritt zum Arzt, also wenn jemand richtig Sorgen hat und denkt, das ist so schlimm und ich kriege meinen Alltag nicht mehr bewältigt, dann ist natürlich auch der Schritt zum Arzt, also kann ich nur begrüßen. Aber wenn jemand Schwierigkeiten hat, überhaupt darüber zu reden, ist es vielleicht das mal sinnvoll, sich jemandem Vertrauten erstmal zu öffnen. Und das Gefühl hat, okay, da kann ich einfach so sein, wie ich bin und muss jetzt nicht irgendwas vorspielen. Denn die Angst, du hattest es ja am Anfang gesagt, so aufgrund von Vorurteilen, Arne. Die Angst, dass jetzt jemand kommt und sagt, Mensch, ach jetzt stell dich doch mal nicht so an. Was habe ich neulich mal gehört? Ach, wir sind doch alle mal ein bisschen depressiv.
Speaker2
00:09:52
Es gibt doch hier die schönen Sprüche, ein Indianer kennt keinen Schmerz und solche Sachen. Männer weinen nicht. Das ist ja das, was wahrscheinlich jeder von uns mal als Kind von seinen Eltern gehört hat.
Speaker0
00:10:03
Definitiv. Und gerade dieses Rollenbild, was du jetzt gerade ansprichst, das hat mich zum Beispiel auch früher einfach davon abgehalten, mir auch Hilfe zu holen. Weil ich echt immer gedacht habe, na so Schule, Pubertät, alles verändert sich. Plötzlich ist darauf aus, nur Beziehungen zu knüpfen. Und ich war an Mädels interessiert und dann hieß es immer oder dachte ich immer, die Mädels, die stehen nur so auf richtige Typen. Entweder müssen die die Besten im Sport sein oder einfach die so richtig cool sind, die so durch nichts irgendwie aus der Ruhe zu bringen sind. Aber drinnen sah es überhaupt anders aus. Und ich habe immer gedacht, ich muss dem aber entsprechen. Eben wie du sagst, Arne, das gehörte dann auch dazu, so nach dem Motto, ein Mann schafft das alleine. Und ein Mann, ja, der redet nicht über seine Gefühle, weil der das ja sowieso alleine alles hinkriegt. Und dass das gerade fatal ist, also besonders für uns Männer.
Speaker2
00:10:56
Das berühmte starke Geschlecht, was ja gar nicht so stark ist.
Speaker0
00:11:00
Und um jetzt nochmal den Bogen zu schlagen zu den Warnsignalen. Also wenn dann jemand diese Warnsignale hat und die Gedanke kommt, ach Mensch, sollte ich jetzt mal was tun damit, mir vielleicht Hilfe holen, kommen ja diese ganzen Vorurteile. Ach, was denkt dann der andere? Kommt der andere dann mit so einem Spruch, ey, du bist doch ein Mann? Das habe ich tatsächlich mal gehört, als ich überlegt habe, ob ich eine Therapie mache. Komm, du bist doch ein Mann. Man schafft das alleine. Na ja, reden die dir noch Sachen ein, die du gar nicht hast. Und diese Ängste tauchen ja dann alles auf, womit dann die Menschen einfach innerlich erst mal kämpfen. Also da sind wir ja beim Thema Barrieren oder... Behinderungen, die wir uns selber dann auch in den Weg legen oder vielleicht antrainiert haben, angelernt haben. Und ich möchte gerne noch auf ein Warnsignal Sorry hinweisen, das ist mir ganz wichtig. Achso, zwei habe ich noch. Das eine ist so Thema Selbstmedikation, weil das ja glaube ich in Deutschland, es hört sich jetzt erstmal ein bisschen, fachspezifisch an, aber Alkohol zum Beispiel. Drogen müssen es ja noch nicht mal sein, aber auch Alkohol oder auch Online-Medien. Also ich meine, wie viele Menschen mich eingeschlossen verbringen, Stunden am Tag an ihrem Handy. Oder für wie viele Menschen ist das Bierchen oder das Glas Wein am Abend normal. Und wenn das signifikant sich erhöht oder ich das sowieso schon immer brauche und gar nicht ohne kann, ist das ein Signal, da einfach mal zu schauen. Das muss ja nicht immer gleich, ich versuche das auch zu vermitteln, heißen, dass ich psychisch erkrankt bin. Aber vielleicht da ein Thema ist, was angeschaut werden sollte. Oder im besten Fall vielleicht auch mal mit jemandem professionellen Bearbeiteten werden sollte. Soll jetzt keine Werbung für mich sein, sondern ihr könnt wo auch immer hingehen. Aber ihr könntet. Wichtig ist einfach drüber reden, mit wem auch immer. Und es gibt ein Signal, da hört es echt für mich immer auf, es ist das Thema Suizidgedanken. Das ist mir ganz wichtig. Also wenn ihr das irgendwie habt, vor allen Dingen, wenn ihr das erste Mal in eurem Leben damit zu tun habt, ab dann ist Ende der Fahnenstange, weil das ist nichts, was man alleine schafft, wenn man das das erste Mal hat. Die gehen auch in dem Sinne so nach dem Motto, ich warte jetzt einfach mal ab und dann gehen die schon wieder weg. Oft nicht. Und ich habe, wie gesagt, seit ich 15, 16 bin damit zu tun, ich habe das vielleicht doch ein, zwei Mal im Jahr, ich weiß, wie ich damit umgehen kann. Aber wenn jemand das das erste Mal hat, ist das ein extremes Warnsignal. Ist was, wo wir dringend professionelle Hilfe brauchen.
Speaker1
00:13:27
Unbedingt. Also wir hatten es auch im Familienkreis. Also einen ausgeführten Suizid und nicht erkannt. Und das ist, das finde ich halt auch die Herausforderung, dass du als Angehöriger, als Außenstehender, du kannst den Leuten ja nicht in den Kopf gucken. Deshalb fand ich das jetzt sehr gut, dass du auch sagst, so Sachen wie dieses übermäßige Konsumieren von was auch immer, Computer, soziale Medien, Alkohol, Essen, Dass man da auch als Außenstehender eben so ein bisschen mal einen Blick drauf hat und sagt, Mensch, ist das immer alles so normal? Dass, keine Ahnung, in einem bestimmten Freundeskreis immer über Alkohol gesprochen wird auch. Das habe ich auch schon erlebt. Dass ich manchmal so dachte, seltsam. Dass man dann eben auch von sich aus vielleicht mal so das ansprechen kann. Was natürlich auch schwer ist. Es ist ja nicht bloß, dass derjenige selber nicht drüber sprechen möchte, sondern auch, wenn man es anspricht, ist es natürlich schwer.
Speaker0
00:14:18
Ja, definitiv. Du sagst da was Wahres, das versuche ich auch immer zu vermitteln. Egal über welches Thema wir sprechen, wo wir Veränderungsbedarf hätten oder Druck führen. Das ist am Anfang immer erstmal unangenehm. Auch wenn ich über meine psychische Gesundheit rede, ich versuche das immer zu vergleichen wie so ein kleiner Berg, über den ich drüber muss. Weil natürlich ist es nicht schön, zu jemandem zu sagen, du weißt ja nicht weiter oder ich trinke zu viel, aber ich kann es nicht ändern oder mir geht es nicht gut damit. Tut zwar so, aber... Ehrlich gesagt ist es nicht gut, aber ich kann es nicht ändern. Das ist unangenehm, aber auf lange Sicht immer besser, weil egal mit wem ich darüber gesprochen habe, der mit psychischer Gesundheit einfach Schwierigkeiten hatte, dieses Wegdrücken hat nie zu einem Erfolg geführt. Ich kenne keine Geschichte, wo jemand damit Erfolg hatte, mit dem Wegdrücken. Kurzfristig vielleicht, aber langfristig nie. Und in der Regel dieses Wegdrücken, Überspielen hat es in der Regel immer schlimmer gemacht. Weil es im Grunde genommen ist das ein Mechanismus, den der Körper einsetzt. Das finde ich wichtig zu verstehen, weil den kennen wir alle auf einer körperlichen Ebene. Wenn wir einen stressigen Tag haben oder überhaupt viel Stress, dann meldet sich doch in der Regel irgendwas am Körper. Kopfschmerzen, der Rücken tut uns weh, irgendwas. Und wenn das aber nicht mehr reicht, greift der Körper eben auch zu einer psychischen Erkrankung oder psychischen Krise. Einfach um dann zu sagen, das ist zu viel. Dieser Mechanismus ist oft gegeben. Und oft hast du in den Biografien, dass vorher viele körperliche Warnsignale da waren.
Speaker2
00:15:55
Was ich noch so krass fand, ich habe mich mit dem Thema noch nicht so viel beschäftigt, aber jetzt habe ich natürlich einige Artikel von dir gelesen und war auf der Webseite. Was mir null bewusst war, dass ja, wenn es um die Suizidversuche und den Suizid geht, 75 Prozent davon sind Männer. Warum ist es so eine Herausforderung, vor allem bei Männern? Ist es dieses Narrativ, was wir haben, der Mann muss stark sein? Oder gibt es da noch andere Gründe oder Themen?
Speaker0
00:16:25
Es gibt verschiedene Gründe. Einerseits eben dieses Narrativ, was du erzählst. Dass eben Männer stark sein wollen und auch nicht über ihre Gefühle einerseits nicht reden. Und dann kommt ja im nächsten Schritt auch hinzu, wenn sie es versuchen, auch gar nicht geübt sind darin. Weil ich habe auch mit einem Forschungsprojekt zusammengearbeitet, das ging jetzt drei Jahre lang zum Thema Männer und Suizidalität und haben sie eben auch Angehörige befragt von Männern, die Suizid begangen haben und da geforscht und eben auch festgestellt, nicht nur in dem Forschungsprojekt, dass 80 Prozent der Suizide, die dann auch vollzogen werden, vorher angekündigt werden. Aber nicht in dem Sinne so, Achtung, ich mache das jetzt, sondern meist indirekt. Durch indirekte Äußerungen. Das können so Äußerungen sein wie, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ich habe keinen Bock mehr. Jetzt erstmal gar nicht so schlimm erscheinen, weil wir vielleicht jeder mal einen Tag kennen, wo wir sagen, ich habe keinen Bock mehr. Und die dann schnell überhört werden. Also eben dieses Narrativ, dass die Männer da nicht gerne drüber reden, sich nur indirekt äußern, dann auch so ein Beschützerinstinkt haben für die Familie, die Familie damit nicht belasten wollen und es dadurch auch so lange wie möglich geheim halten. Und es kommt erschreckenderweise hinzu, dass Männer dann auch in der Umsetzung einfach härtere Methoden benutzen. Auch ein bisschen getreu dem Motto, wenn ich was mache, dann mache ich es. Dass das auch so ist, wohingegen die Forschung festgestellt hat, dass es viele Frauen das auch als Warnsignal oder als Hilferuf benutzen. Nicht durch die Bank weg, darauf sollte man sich keinesfalls verlassen. Aufgrund der Umsetzung und aufgrund der Strategie dahinter eben dann mehr Suizide von Männern, die dann eben auch zum Tod führen. Leider.
Speaker2
00:18:22
Umso wichtiger, dass man irgendwie Wege findet, was man tun kann. Und da gibt es ja wahrscheinlich zwei Wege. Also einmal, was kann ich selber tun, wenn ich es an mir selber merke? Und was kann ich tun, wenn ich es als Angehöriger, Freund oder Bekannter merke? Was empfiehlst du, wenn man jetzt nach dieser Folge merkt, Mensch, ich habe da so ein oder zwei Menschen in meinem Umfeld, wie soll ich darauf reagieren?
Speaker0
00:18:46
Vorab möchte ich was machen, das ist jetzt vielleicht nicht so ein bisschen Happy End mäßig. Also bitte versucht was, würde ich euch raten, aber bitte ladet euch nicht die Verantwortung auf. Es gibt nicht, dass du sagen kannst, ich mache das und das und damit kann ich das eindeutig verhindern. Wir können Sachen versuchen und wir sollten auch Sachen versuchen. Nur wir sollten uns jetzt nicht dafür verantwortlich fühlen. Also Angehörige kriegen dann ganz schnell Schuldgefühle, als hätten sie es definitiv verhindern können. Wir können Sachen tun und die möchte ich auch gerne euch jetzt mitgeben. Ganz wichtig ist eben ansprechen. Viele Menschen haben den Glauben, das begegnet mir immer wieder, oh, wenn ich es jetzt anspreche, das Thema Suizidgedanken, Dann wecke ich doch vielleicht so schlafende Hunde. Ich wecke vielleicht irgendwas. Was, naja, ich will da nicht irgendwie was verursachen. Und das ist einfach schlichtweg nicht der Fall, hat man durch wissenschaftliche Untersuchung festgestellt. Du wirst, indem du es ansprichst, konkret, also ansprechen heißt dann oft einfach konkret fragen. Klar, nicht mit der Tür ins Haus fallen, vielleicht irgendwie eine Atmosphäre schaffen, dass man unter sich ist, in einem vertrauten Umfeld. Aber dann irgendwann auch wirklich konkret zu fragen, du, ich mache mir Sorgen. Hast du Suizidgedanken? Überlegst du dir was anzutun? Viele Menschen scheuen sich davor und wir werden damit nichts auslösen, was nicht ohnehin schon da ist. Das stimmt einfach nicht. Und wir werden niemand auf die Idee bringen, dass jemand dann denkt, ach Mensch, da habe ich ja noch gar nicht drüber nachgedacht, danke. Also das ist jetzt natürlich ironisch gemeint. Passiert einfach nichts. Also wir lösen damit nichts aus. Und wenn jemand, was wahrscheinlich selten der Fall ist, zugibt, wir müssen damit rechnen, dass unser Gegenüber das wahrscheinlich auch nicht zugibt, weil die Scham einfach so groß ist. Falls es jemand zugibt, ist es auch wichtig nachzufragen, hast du dir auch überlegt, wie du es umsetzen möchtest? Weil wenn jemand schon konkrete Gedanken zur Umsetzung hat, ist wirklich höchste Eisenbahn, dann ist dringend, ganz dringend professionelle Hilfe vonnöten. Weil Suizidgedanken können irgendwann dazu führen, dass Menschen die Kontrolle verlieren. Also das verselbstständigt sich Und dass Menschen dann eben Sachen auch umsetzen, weil sie eine Art Kontrollverlust, sie haben für sich das Gefühl, sie haben wieder was unter Kontrolle mit dieser Entscheidung, aber der Vollzug ist auch aus meiner Sicht eine Art Kontrollverlust. Pläne entstehen vielleicht im Bewusstsein, aber Umsetzung entsteht. Meiner Meinung nach aus Affekten, aufgrund von Situationen, irgendwas, was doof läuft und dann Emotionen hochkachen. Und es ist ganz wichtig, da professionelle Hilfe zu holen. Und man darf auch die 112 anrufen.
Speaker2
00:21:32
Vielleicht ist das der Zeitpunkt, wo wir auch nochmal sagen sollen, also wer entweder als Angehörige oder halt auch als Betroffene Hilfe sucht, alle Informationen dazu finden sich in den Shownotes von dieser Folge.
Speaker0
00:21:44
Das ist echt nochmal sehr hilfreich, weil mir auch oft bewusst wird oder den Eindruck entsteht, dass viele Menschen auch gar nicht wissen dann im ersten Schreck, oh Mensch, wo gehe ich denn jetzt hin? Fällt einem vielleicht noch der Hausarzt ein oder vielleicht noch der Patientenservice, die 116 117, kann man überall anrufen und dann ist meist erst mal so Ende der Fahnenstange, weil die meisten Menschen einfach nicht wissen, wo gehe ich jetzt hin und da ist es wirklich auch hilfreich, besonders für Angehörige sich zu informieren. Was gibt es dann jetzt für Anlaufstellen? Da fallen mir Sachen ein wie einfach Beratungsstellen oder der sozialpsychiatrische Dienst. Ich habe gestern zum Beispiel in einem Einkaufszentrum gesehen, da gab es von St. Georg Krankenhaus in Leipzig, die hatten da Sprechstunden eingerichtet, wo man hingehen kann.
Speaker1
00:22:32
Ach, das ist ja cool, das ist ja niederschwellig. Das finde ich ja richtig gut.
Speaker0
00:22:36
Oder auch eben auch Online-Möglichkeiten, wo man eben Kontakte haben kann, so Krisendienste, die Telefonseelsorge. Da können wir natürlich auch noch einiges verlinken, was ich jetzt vielleicht nicht noch erzählt habe.
Speaker1
00:22:48
Ja, ja unbedingt.
Speaker0
00:22:49
Wichtig ist wirklich noch zu verstehen, dass wenn Menschen Suizidgedanken haben, das sind 80 Prozent der Fälle, spielt eine psychische Erkrankung im Hintergrund die Rolle. Also wo man sagen könnte, die psychische Erkrankung ist die Ursache für die Suizidgedanken. Oft haben Betroffene das Gefühl so nach dem Motto, naja, ich bin einfach zu schwach, ich kriege es nicht hin, deswegen habe ich solche Gedanken. Nee, eine psychische Erkrankung löst in den allermeisten Fällen sowas aus. Und eine psychische Erkrankung, das finde ich generell wichtig zu verstehen, verändert unser Denken, verändert unser Fühlen. Und damit letztlich auch einfach, wie wir die Welt wahrnehmen und wie wir danach eben auch handeln. Und in den allermeisten Fällen, ich nehme jetzt mal, es gibt auch bipolare Störungen, wo ich auch manische Phasen habe, wo Menschen denken, sie können alles bewegen und können alles leisten. Aber in den meisten Fällen sind die Menschen so, also verändern die psychischen Erkrankungen, die Wahrnehmung so und das Denken, Fühlen und Handeln, dass sie einfach keine Auswege mehr sehen. Das ist Teil der Erkrankung, dass sie einfach nichts Positives mehr sehen, weil man dann so sagt, Mensch, denkt doch mal wieder an was Positives. Sie können es schlicht nicht, weil das Symptom der Erkrankung ist. Und damit können sie auch keine Auswege finden. Und deswegen brauchen Betroffene dringend professionelle Hilfe, weil die Fähigkeit, eben diese Auswege zu finden, durch die Erkrankung verbaut ist.
Speaker2
00:24:15
Vanessa, du hattest, als wir drüber gesprochen haben, so gesagt, naja, so dieser berühmte Satz, naja, fahr doch mal in den Urlaub. Was macht man denn also als Impuls, als Angehöriger sagt, naja Mensch, wenn es dir gerade nicht gut geht, mach doch mal ein langes Wochenende und schalt mal richtig ab.
Speaker1
00:24:28
Ja, erhol dich mal. Fahr mal in den Urlaub, das macht ja noch mehr Druck.
Speaker0
00:24:31
Das kann passieren. Also wir müssen da unterscheiden, weil vielleicht bei leichten Formen, wenn Menschen eine Krise haben, kann das natürlich helfen. Bei Menschen, die aber sehr tief in einer Krise strecken, vielleicht sehr tief in einer psychischen Erkrankung, kann das fast wie eine Ohrfeige sein. Weil ich versuche das immer zu vergleichen. Wir sagen in den Workshops, also Vorsicht mit Ratschlägen. Das hat ja auch das Wort Schlag drin. Weil wenn die Betroffenen irgendwas so einfach könnten wie, Mensch, mach doch mal wieder einfach Sport oder denk doch mal Positives, sie würden es doch gerne machen. Sie schaffen es aber nicht mehr. Dieses Verständnis dafür zu entwickeln, dass es keine... Schwäche ist, dass Menschen was nicht mehr können oder keine Unfähigkeit oder kein mangelnder Wille, sondern einfach Teil der Erkrankung, dass sie vielleicht in den Urlaub fahren könnten, aber der überhaupt nichts mehr Positiv-Emotionales bei ihnen auslöst und insofern gefühlt erstmal keinen Effekt hat oder vielleicht eine Runde spazieren gehen könnten, aber davon keinen positiven Effekt erstmal spüren. Wo ich dann immer sage, ja, wenn es für die Betroffenen so einfach wäre, würden sie es machen. Keiner ist gerne depressiv oder welche Erkrankung jetzt auch immer. Das hat ja niemand gerne oder hat gerne Suizidgedanken. Das ist ja kein Accessoire, was wir uns mal so umhängen.
Speaker1
00:25:52
Ja, aber so dieses unbeabsichtigt, solche Kommentare dann zu geben oder so, das muss man ja auch lernen. Und wir hatten anfangs drüber gesprochen, wie reagiere ich richtig? Ist das was, was ich zum Beispiel auch lernen würde, wenn ich wie du diesen Ersthelfer mache? Also mir wurde das letztens angeboten, Ersthelfer für mentale Gesundheit im Unternehmen. Und ich fand das sehr ansprechend, also als Überlegung, weil ich bin Ersthelfer für Erste Hilfe. Also wenn du dir den Finger absäbelst. Aber was ist, wenn es jemandem einfach mental nicht gut geht, wenn ich das vielleicht auch merke? Erzähl uns mal darüber. Mich interessiert das echt brennend, weil ich wirklich auch überlege, das zu machen.
Speaker0
00:26:35
Ja, ich kann das Ihnen nur empfehlen, weil es sozusagen einen geschützten Rahmen bietet, sich einfach mal damit auseinanderzusetzen. Und da sind auch Übungen mit drin, wo man Themen so gemeinsam in der Gruppe bespricht, also sozusagen vorgestellt werden. Man bespricht die und macht dann auch gemeinsam Übungen, sogar bis hin auch zu Rollenspielen, was sich erstmal vielleicht heftiger anhört, als es ist, aber wo man einfach auch diese Dialoge einfach auch mal übt, dass man das einfach mal auch ausgesprochen hat. Du sag mal, wie geht es dir? Ich mache mir Sorgen. Ich habe das in letzter Zeit beobachtet. Du sag mal, hast du eventuell Suizidgedanken oder überlegst du dir was anzutun und das konkret auch mal zu üben? Und da kann ich das jedem nur empfehlen, weil das auch ein bisschen aufklärt über psychische Erkrankungen. Was gibt es für psychische Erkrankungen? Wie gehe ich damit um? Wie kann ich das ansprechen? Weil das ist oft diese Hürde für die meisten Menschen. Einfach das mangelnde Wissen. Einfach, es taugt ja nirgendwo auf. Also wir lernen es weder in der Schule noch irgendwo anders. Wir lernen es ja einfach nicht. Und das ist jetzt kein Vorwurf an irgendjemanden. Hatte ich ja früher auch nicht. Einfach kein Wissen darüber, was bedeutet das, eine Depression. Wo ist der Unterschied zwischen landläufig, ich bin mal ein bisschen deprimiert oder ich habe wirklich eine Depression. Und das unterscheiden zu lernen und auch zu lernen, wie viel Einfluss kann ich nehmen, wo sollte ich dringendst Hilfe holen, wo ist vielleicht auch ein Gespräch unter vier Augen schon mal hilfreich, aber wo muss ich dann eingestehen, hier kann ich als Angehöriger vielleicht noch zum Arzt fahren, aber nicht wirklich was machen. Da kann das wirklich sehr hilfreich sein, sich in so einem Rahmen damit auseinanderzusetzen. Also ich glaube, es gibt es online sechs mal zwei Stunden oder wenn die in Unternehmen kommen, sind es glaube ich zwei Tage.
Speaker2
00:28:30
Spannend. Aber die Institution, die sowas anbietet, die können wir auch verlinken. Hast du da eine Ansprechperson?
Speaker0
00:28:35
Das können wir einfach verlinken. Ursprünglich ist das ein Programm, das kommt aus Australien, Mental Health First Aid. Australisches Ehepaar haben das entwickelt und die haben das sozusagen rübergeholt. Genau.
Speaker1
00:28:46
Und ich glaube, die Workshop-Leiter, die gibt es dann auch bundesweit. Also arbeite ja hier Barnehm und Uckermark und da wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass es das Angebot gibt. Fand das dann wirklich interessant und dachte so mega, also es wäre so eine super Ergänzung. Sowas zu haben, weil man hat ja auch immer wieder mal Kollegen, die fehlen dann lange, der Burnout, das kommt ja auch oft vor und die Herausforderung ist dann natürlich auch, wie geht man mit Kollegen um, wenn sie zurückkommen, weil man selber natürlich in diesem Arbeitsalltag ist und ja, wir müssen schaffen und wir müssen machen und Rücksicht ist da ja natürlich ein großes, großes Thema. Aber grundsätzlich erstmal auch dieses Erkennen, haben wir ja heute schon öfter gesagt, finde ich sehr wichtig. Und du gehst dann ja auch in Schulen. Dass die Kinder das auch schon lernen, das finde ich natürlich noch viel besser.
Speaker0
00:29:34
Das finde ich total klasse, ja. Ja, wir gehen da in der Regel in so neunte Klassen. Witzigerweise Ende nächster Woche sogar in unser altes Gymnasium, Gymnasium Engelsdorf, finde ich da auch. Und nächstes Jahr werde ich auch mitmachen. Der Verein hat mittlerweile auch ein Grundschulprogramm. Da gehen die in der Regel in vierte Klassen, soweit ich weiß und da werde ich nächstes Jahr auch einsteigen in das Programm, einfach um halt frühzeitig damit anzufangen, weil das halt sonst, also wenn das nicht eine Schule sich selbst auf die Fahnen schreibt und eine Initiative entwickelt oder einzelne Lehrer oder Erzieher ansonsten in der Regel nicht vorkommt.
Speaker1
00:30:12
Und die müssten das dann bei, also die Direktoren, die Schuldirektoren zum Beispiel, die könnten dann auf dich zukommen und sagen, hier, wir wollen das integrieren oder wie läuft sowas ab? Wer bucht das? Wer organisiert das?
Speaker0
00:30:23
Das organisiert der Verein irrsinnig menschlich. Ach so. Genau, den können wir auch nochmal verlinken. Und die bieten das den Schulen an? Genau, die bieten das den Schulen an und das wird auch von Krankenkassen gefördert. Also das ist jetzt nicht so immens teuer für die Schulen, die zahlen einen Eigenbeitrag, aber die Schulen können sich da an den Verein irrsinnig menschlich wenden. Der Verein hat sich im Jahr 2000 mal gegründet und mittlerweile ist der so weit verbreitet, der hat eigentlich seinen Sitz in Leipzig, aber mittlerweile gibt es an die 90 Regionalgruppen in Deutschland. Also das ist sehr weit verbreitet, falls das jetzt jemand den Podcast hört und denkt, Mensch, ich bin ja nicht in Leipzig, aber es wäre trotzdem cool in meiner Schule. Es gibt also wirklich an die 90 Regionalgruppen deutschlandweit, ich weiß nicht, in wie vielen Schulen. Das gemacht wird. Die Zahlen habe ich jetzt nicht 100 pro im Kopf, aber vielen schon.
Speaker2
00:31:09
Spannend und ich glaube es vielen nicht bewusst, dass es diese Angebote gibt. Das ist ja immer so ein bisschen die Herausforderung. Ich muss jetzt aber aus ganz persönlichen Gründen nochmal einmal ein bisschen kurz dazu zurück, wie man mit Kolleginnen umgeht, wenn die wieder aus dem Burnout oder aus einer langen Erkrankung wiederkommen. Hast du da nochmal so einen Tipp, wie ich entweder als Vorgesetzter oder auch als Kollege dann diesen Menschen ein Umfeld schaffen kann, in dem sie sich wohlfühlen.
Speaker0
00:31:36
Da das sehr individuell ist, wie sich jemand wohlfühlt, würde ich immer dazu raten, Fragen. Fragen, vielleicht auch die Unsicherheit konkret ansprechen. Mensch, du bist jetzt wieder da. Ich bin ehrlich gesagt unsicher. Kann ich irgendwas tun, um dich zu unterstützen oder möchtest du das lieber nicht? Es gibt ja auch Menschen, die neigen dann eher dazu, die wollen da gar nicht, dass das angesprochen wird oder dass jetzt man sie besonders behandelt. Sondern wollen eigentlich möglichst wieder ihren Alltag wie früher. Ob das dann sinnvoll ist, ist noch eine andere Frage. Aber dann würde ich immer dafür plädieren zu fragen, weil da Menschen einfach sehr unterschiedlich sind. Weil vielleicht der eine kommt nach der langen Pause wieder und hat sich selbst auf die Fragen geschrieben, damit offener umzugehen. und andere Menschen reagieren so, die machen dann sechs Wochen ihre Reha und hoffen, dass das Leben wieder ist wie vorher, was leider in vielen Fällen nicht funktioniert. Und da ist es immer hilfreich, aus meiner Sicht zu fragen.
Speaker2
00:32:36
Wenn man so ein bisschen so ein Fazit zieht, ist es ja auch so, dieses Thema Reden. Also ich glaube, das Allerwichtigste, sowohl als betroffene Person als auch als Angehöriger, Reden, also man kann ja im Prinzip nicht großartig was Falsches sagen. Nicht reden wäre definitiv schlimmer und hat größere Auswirkungen, als mal in ein Fettnäpfchen zu treten.
Speaker0
00:32:58
Definitiv, ja.
Speaker2
00:33:00
Und ich glaube, diese Angst muss man sich einfach nehmen. Tritt lieber mal in ein Fettnäpfchen, bevor du gar nicht drüber gesprochen hast. Das ist, glaube ich, so ein bisschen für mich das runtergebrochene Fazit aus dieser Folge, wenn ich so drüber nachdenke. Die Angst, sich zu nehmen, was Falsches zu sagen und deswegen gar nichts zu sagen, ist wahrscheinlich der größte Fehler, den man machen kann.
Speaker0
00:33:19
Ist ein verständlicher Fehler. Ja, weil viel Unsicherheit, aber es hilft in der Sache nicht weiter. Ich hatte irgendwann mal eine Kur gemacht, eigentlich so Eltern-Kind-Kur und da gab es eine Therapeutin, die hat das so schön auf den Punkt gebracht. Die hat gesagt, nur wer spricht, dem kann geholfen werden. Und das ist ja oft das Ding, wenn Leute nicht darüber reden, wer will ihnen dann helfen? Und ich glaube, für Betroffene ist es wirklich wichtig zu verstehen, dass es eben Erkrankungssymptome sind, dass sie da selber nicht mehr rauskommen. Dass es keine Unfähigkeit ist, keine Schwäche, weil viele Betroffene haben enorme Scham- und Schuldgefühle. Weil sie ja denken, mein Gott, XYZ hat doch ein vergleichbares Leben wie ich, aber hat keine Depression oder hat keine Suizidgedanken. Also muss es doch an mir liegen. Und das stimmt aber nicht. Dann könnten wir auch rumrennen und könnten sagen, Mensch, du hast Blutdruck, Hochdruck. Da hast du wohl richtig was falsch gemacht. Bist du selbst schuld. In Einzelfällen kann das sein, aber in vielen Fällen vielleicht nicht. Manchmal ist es eine schlichte Veranlagung. Prägende Erlebnisse, ungünstige Verhaltensmuster, die wir erlernt haben. Ja, und da können wir nur den Weg rausfinden mit Hilfe. Wir hatten ja anfangs auch über einen Quick-Tipp gesprochen, also wirklich drüber reden, wie du sagst, Arne, und sich auch helfen lassen. Den Weg aus psychischen Erkrankungen finden die allermeisten nur mit professioneller Hilfe wieder raus. Es mag einzelne Fälle geben, die das schaffen, aber die meisten brauchen dringend die professionelle Hilfe.
Speaker2
00:34:59
Das finde ich ein sehr, sehr schönes Schlusswort. Ich gucke auch so ein bisschen auf die Uhr und du hast ihn jetzt schon angesprochen, unseren Quick-Tipp und hast ihn ja eigentlich auch schon genannt und das finde ich wirklich super und genau das sollten wir als Essenz dieser Folge stehen lassen. Lasst euch helfen.
Speaker1
00:35:15
Und ich muss auch noch was einwerfen, was mir in dem Zusammenhang einfällt. Sorry, aber ich hatte mal einen Kollegen, der hat immer gesagt, wer kommuniziert, bleibt. Und nach unserer Folge heute hat das für mich nochmal eine ganz andere Bedeutung. Ich habe das oft benutzt im beruflichen Zusammenhang, so nach dem Motto, sprich mit mir, dann wissen wir alle, was los ist, was wir beruflich brauchen, machen und tun. Aber vor dem Hintergrund psychischer Erkrankung oder mentaler Gesundheit hat das nochmal einen ganz anderen Twist, finde ich. Wer kommuniziert, bleibt.
Speaker0
00:35:49
Definitiv. Entschuldigt, wenn ich vielleicht den Quick-Tipp etwas aufweiche. Ich würde dem gern noch hinzufügen, Geduld. Wir sind bei einem gebrochenen Bein, können wir abschätzen, wie lange es dauert. Aber eine psychische Erkrankung, das kann dauern, weil die meisten sich das vielleicht eine Verbesserung als eine lineare Kiste vorstellen. Es geht einfach so linear schräg nach oben, aber da gibt es auch Rückschläge und es geht mal wieder vorwärts und zurück. Also es braucht auch Geduld aus einer psychischen Krise. Das muss nicht unbedingt heißen, dass Betroffene jetzt Jahre brauchen. Aber diese viel gepriesene Reha mal sechs Wochen raus nach einem Burnout und danach geht es weiter. Hat schon seine Gründe, warum das oft nicht funktioniert, weil es also sicherlich eine sehr gute Maßnahme ist, aber manchmal zu kurz gegriffen und manchmal braucht es halt einfach ein bisschen länger. Und da sowohl als Betroffener als auch als Angehöriger einfach Geduld zu haben, ist wirklich sehr wichtig.
Speaker1
00:36:46
Falk, vielen lieben Dank für diese Einblicke. Ich glaube, wir werden beide, also jetzt nach unseren Gesprächen, sehr viel aufmerksamer durch die Welt gehen und für dich viel Kraft. Weiter für deine weitere Arbeit und auch viel öffentliche Wahrnehmung. Mehr Infos zu deiner Arbeit und zu dir persönlich, hatten wir ja schon gesagt, gibt es in den Shownotes. Und ja, viele Grüße auch an deine Familie. Uns bleibt wieder nur zu sagen, auf Wiederhören.
Speaker0
00:37:15
Ich danke euch, danke für die Einladung.
Speaker2
00:37:17
Das war es für heute von Unbehindert. Wir sagen danke, dass ihr uns euer Ohr und Zeit geschenkt habt. Eure Meinung und Gedanken sind uns wichtig. Lasst uns also in den Kommentaren wissen, was euch für Themen bewegen. Und wenn euch gefallen hat, was ihr gehört habt, hinterlasst uns gerne eine Bewertung oder folgt uns auf unseren Social-Media-Kanälen. Ihr findet uns auf TikTok, Instagram, Facebook und natürlich auf unserer Webseite www.unbehindert-podcast.de Alle Links und weitere Infos gibt es natürlich in den Shownotes. Damit ihr keine Folge verpasst, vergesst nicht, unseren Podcast zu abonnieren. Bleibt neugierig, teilt eure Leidenschaften mit der Welt und macht sie zu einem Ort mit weniger Barrieren. Bis zum nächsten Mal.
Music
00:38:07

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